Profession Soziale Arbeit

Alice Salomon 


In der Publikation „Humanistische Porträts: Alice Salomon“ finden sich Kernsätze, welche zur Haltung der Profession Soziale Arbeit gezählt werden. 

In den aufgeführten Zitaten verbindet sie in hervorragender Weise Wissenschaft, Kunst und Soziale Arbeit. 


Informationen zur Publikation: 

https://humanistisch.de/x/akademie-bb/inhalte/humanistische-portraets-alice-salomon


Die Autorin:

Dr. Adriane Feustel, Jg. 1943, Historikerin, Gründerin und bis 2013 Leiterin des Alice Salomon Archivs der Alice Salomon Hochschule Berlin. Editorin einer umfangreichen historisch kritischen Neuauflage der Schriften Alice Salomons; Forschungen zu Sozial- und Frauengeschichte des 19./20. Jahrhunderts.


Zitate aus der Publikation:

Kernsatz 

"Setzt einen Menschen in die Lage, ganz er selbst zu sein - und sein Erfolg ist so gut wie sicher. [ ... ] Ermutigt ihn seine Pläne selbst zu machen, für sich selbst zu denken - und bei all dem versucht, in so zu sehen, wie er ist, und ihn zu verstehen und zu würdigen…..“


Maxime Sozialer Arbeit

„Alle Fürsorge besteht darin, dass man entweder einem Menschen hilft, sich in der gegebenen Umwelt einzuordnen, zu behaupten, zurecht zu finden – oder das man seine Umwelt so umgestaltet, verändert, beeinflusst, dass es sich darin bewähren, seine Kräfte entfalten kann. Persönlichkeitsentwicklung durch bewusste Anpassung des Menschen an seine Umwelt oder der Umwelt an die besonderen Bedürfnisse und Kräfte des betreffenden Menschen.“


Leben als Kunst

Alice Salomon geht anders vor, sie beleuchtet den Vorgang der Anpassung an unterschiedlichsten exemplarischen Lebenssituationen als vielfältigen, schwierigen und nicht abschließbaren Vorgang, mit der Schlussfolgerung: ,,wer ihn meistert, beherrscht die Kunst des Lebens" und fügt hinzu: ,,Niemand, der den Einsatz bedenkt, wird leugnen, daß , leben' die Höchste aller Künste ist". Mit diesem Begriff von Kunst, der an das Kunstverständnis expressionistischer Künstler im Ersten Weltkrieg erinnert oder auch an Beuys' erweiterten Kunstbegriff der 1960er/1970er Jahre, öffnet Alice Salomon die Perspektive auf die Möglichkeiten des Einzelnen. Kunst des Lebens bedeutet, den Vorgang der Anpassung zu gestalten, sich in Beziehung zu den Umständen zu setzen, sich einzufügen und auseinanderzusetzen und zu entwickeln, es bedeutet keinesfalls, die Umstände und Gegebenheiten fraglos zu akzeptieren: ,,Mit allem müssen wir uns auseinandersetzen, und von unserem Verhalten hängt der Inhalt unseres Lebens ab. "


Hilfe aus der Perspektive der Kunst

Helfen selbst erweist sich einmal mehr als eine Kunst, nämlich zum einen zu erkennen, worin die Notlage eines Menschen begründet ist, d.h. eine soziale Diagnose zu erstellen, zum anderen zu erkennen, welche Hilfe angemessen wäre, um jemanden aus seinen Nöten herauszuhelfen. Zum dritten geht es darum, die Wünsche und Fähigkeiten des Hilfesuchenden zu erkennen, um mit ihm gemeinsam eine Perspektive zu entwickeln, oder richtiger, ihn zu unterstützen, seine eigene Perspektive zu erkennen und Pläne zu entwickeln; es gilt also, ihm bei der Umsetzung zur Seite zu stehen, und nicht, ihm die Pläne der Sozialarbeiterin überzustülpen. Eine solche Hilfe ist nicht direkt aus der Analyse ableitbar. In richtiger Weise zu helfen, bedarf neben analytischen und empathischen Fähigkeiten, Urteils- und Entscheidungskraft; es erfordert psychische und kreative Kräfte: ,,Die richtige Methode sichert keinen Erfolg, wenn es an der Fähigkeit zu schöpferischer Einsicht, an der Fähigkeit zur Einfühlung fehlt." Und: ,,Es geht um die Ausübung eines Könnens, um die Verbindung von Wissen, Kunst und Technik" mit dem Ziel, ,,einen Menschen in die Lage [ zu setzen], ganz er selbst zu sein. "


,Ars'

Die ,reine Wissenschaft' ,,will nicht der Welt eine neue Orientierung aufnötigen, sondern zum Erkennen führen. Die soziale Arbeit ist nicht nur Erkennen, sondern auf Handeln gerichtet. Sie soll Änderungen herbeiführen, für einzelne Menschen, ganze Gruppen und Völker, für die Menschheit. Sie soll die äußeren Umstände gestalten helfen, in denen die Menschen leben und die innere Entwicklung der Menschen beeinflussen. Sie beruht daher nicht nur auf Wissenschaft, sondern auf Kunst, auf dem, was [ der französische Soziologe Jean-Pierre] Worms als ,Ars' bezeichnet." ,,Die Wissenschaft erforscht Vergangenheit und Gegenwart. Die ,Ars' will die Zukunft gestalten helfen. Wohl bedarf es der Wissenschaft zur Führung der ,Ars'. Denn man kann nur tief und breit auf die Welt einwirken, wenn man sie begreift. "


Kunst 

Es ist der Begriff der Kunst, in einer offenen Form, der hilft, den Schritt vom Denken zum Tun zu finden, oder anders formuliert, der hilft, die Kluft zwischen Denken und Tun, zwischen Erkennen und Handeln zu überbrücken. In diesem Sinne ist Kunst als ein zentraler Begriff im Denken Alice Salomons zu werten, ohne den ihr Konzept Sozialer Arbeit und des Sozialen nicht hinlänglich verstanden werden kann. Er ist ein Schlüsselbegriff, der hilft, das Besondere Sozialer Arbeit zu bezeichnen, das, was diese mit Leben, den Anforderungen des Lebens gemein hat und worauf sie gerichtet ist; das, was mit Ratio allein nicht zu fassen ist; das, was auf Gestalten, Form geben, auf Handeln ausgerichtet ist. Dieser Begriff hilft, die Verbindung zwischen Denken und Tun, zwischen Theorie und Praxis herzustellen· er bezieht das Können, die Empathie, die Entschlusskraft zum Handeln und die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit

mit ein.

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